Systemische Familientherapie hat eine relativ lange Tradition und gründet auf der Annahme, dass Symptome (z.B. magersüchtiges Verhalten oder massive Wutausbrüche eines Familienmitgliedes) auch Ausdruck so genannter “problemerzeugender” Kommunikationen sind.
In der Therapie geht es also darum, bestimmte – problemerhaltende – kommunikative Muster zu entdecken und zu verändern. Ziel ist es, die gesamte Familie zum “Lösungssystem” zu machen.
Die systemische Familientherapie geht prinzipiell davon aus, dass in jeder Familie »Selbstheilungskräfte« vorhanden sind, die mit Unterstützung der Therapeutin (oder des Therapeutenteams) mobilisiert werden können.
Was genau passiert in einer systemischen Familientherapie?
Im guten Fall bedeutet Familientherapie nichts anderes, als bekömmliche Veränderung: jeder / jede verändert ein Stück weit seine / ihre Haltungen, Ideen, Gefühle, Denkweisen. Alle miteinander verändern ihre Verhaltensmuster. Diese Veränderung bedingt sich gegenseitig – verändert sich ein Mitglied im System, verändert sich auch das System, verändert sich ein systemisches Muster, wirkt das wiederum auch auf den Einzelnen / die Einzelne zurück.
Die „eigentliche“ Veränderung findet daher gar nicht im Therapieraum statt, sondern in der Familie selber. Die Therapeutin (bzw. das Therapeutenteam) unterstützt diesen Prozess zu Beginn, wie eine Art Geburtshilfe. Sie stellt Fragen (die man „so“ aneinander vielleicht noch nie gestellt hat). Sie lädt zu besonderen Beobachtungen im Haushalt ein (eine Art Einladung zum Brillenwechsel, die man „so“ vielleicht noch nie vollzogen hat). Sie „verschreibt“ vielleicht Experimente, sie lädt ein, bestimmte (problemerzeugende) Muster sichtbar zu machen (z.B. mit dem Familienbrett).
Sie bietet einen ersten Rahmen fürs Erkennen, Verstehen, Abwägen, Ausprobieren, Beibehalten, Entwerfen und Verwerfen. Gelungene Familientherapie – oder systemische Veränderung – geht dann irgendwann auch ohne Therapeutin/innen weiter, sie ist „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Wann macht Familientherapie Sinn?
- Das tägliche Zusammenleben wird zur Qual, Streit und „dicke Luft“ sind an der Tagesordnung
- Trennung / Scheidung der Eltern oder ein neues Patchwork-System führen zu ständigen Konflikten
- Probleme mit der Herkunftsfamilie des Partners/der Partnerin eskalieren, es entstehen Loyalitätskonflikte zwischen der eigenen und den Herkunftsfamilien
- Anhaltende Geschwister-Rivalität (manchmal bis ins Erwachsenenalter)
- Erziehungsprobleme können nicht mehr selber bewältigt werden (Pubertät, schulische Probleme, auffälliges Verhalten von Kindern)
- Ein Familienmitglied zeigt ein Symptom, z.B. Essstörung, Depression, Sucht, Zwangsverhalten oder besonders aggressive Wutausbrüche. Oft sind es die Jüngsten im System, die zu „Symptomträgern“ werden.
- Ein Familienmitglied oder die ganze Familie ist in eine Krise geraten (z.B. durch Tod oder Krankheit, Arbeitslosigkeit, etc.) und die Familie kommt mit dieser Belastung nicht mehr zu Rande
Wer ist aller dabei?
Meist wird Familientherapie erst dann in Anspruch genommen, wenn ein „Symptom“ auftaucht. Oft gehen damit Schuld- und Unzulänglichkeitsgefühle einher: Was habe ich / haben wir falsch gemacht? In der systemischen Familientherapie geht es nicht um Schuldzuweisungen oder Rechtfertigungen. Denn jedes Symptom eines Familienmitgliedes kann auch als “Lösungsversuch” verstanden werden, etwas im gesamten Familiensystem zu verändern. Therapie begleitet Familien dabei, selbst zum “Lösungssystem” zu werden, in dem Heilung und Entwicklung für alle Familienmitglieder möglich wird.
Zur ersten Sitzung der Famlientherapie sollten möglichst alle im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder erscheinen. Die Zusammensetzung der TeilnehmerInnen an den einzelnen Sitzungen kann später von Sitzung zu Sitzung variieren. ( So kann es z.B. sinnvoll sein, Sitzungen nur mit den Eltern abzuhalten oder ein Familienmitglied dazu einzuladen, das nicht im gemeinsamen Haushalt lebt.)
Geht das auch mit Erwachsenen?
Selbstverständlich! Ich arbeite sogar relativ oft mit Familien, in denen alle Mitglieder bereits erwachsen sind. Nicht immer muß dabei ein „Symptom“ einer Person den Ausschlag geben. Es reicht auch, wenn ein bestimmtes dysfunktionales Kommunikationsmuster sich ständig wiederholt oder ein Konflikt innerhalb des Familiensystems „chronifiziert“ ist. Zur ersten Familientherapie – Sitzung kommen meist alle Personen, die großes Interesse an einer Veränderung haben. Auch hier können weitere Familienmitglieder dazu geholt werden.